Process-Mining als Baustein der Digitalen Operational Excellence

Process Mining ETECTURE

Operational Excellence beschreibt die Fähigkeit, Strukturen, Prozesse und Verhaltensweisen in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens fortlaufend in Wirkung und Effizienz zu optimieren. Bei der Prozessverbesserung kann Process Mining einen wichtigen Beitrag leisten. Denn Process Mining-Technologien verschaffen Unternehmen mit der Auswertung digitaler Spuren Klarheit darüber, wie ihre Prozesse tatsächlich funktionieren, wo und warum ein Problem und damit Optimierungspotential entsteht. Der Einsatz künstlicher Intelligenz erschließt dabei zusätzliches Optimierungs- und Automatisierungspotenzial.

 

Wer seine Prozesse optimieren will, muss sie kennen – was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist allerdings keine. Denn Unternehmensprozesse werden mit steigender Komplexität unübersichtlich und laufen im betrieblichen Alltag nicht immer so, wie ursprünglich definiert. Bestimmte Prozessschritte werden unnötig wiederholt, übersehen oder absichtlich umgangen, im Extremfall sogar wenn sie gesetzlich vorgeschrieben sind. Das kostet Zeit und Geld, beeinflusst die Prozessqualität und -stabilität und kann rechtliche Risiken bedeuten. Letztlich erschwert es die fortlaufende Verbesserung der Prozesse im Sinne der Operational Excellence.

 

Hier setzt Process Mining an: Die Technik des Prozessmanagements ermöglicht die Visualisierung, die Analyse und die anschließende Optimierung tatsächlich ablaufender Geschäftsprozesse auf Basis ihrer digitalen Spuren. Process-Mining ist überall dort zielführend nutzbar, wo die einzelnen Prozessschritte nachvollziehbar in einem oder mehreren IT-Systemen, beispielsweise in ERP-, Ticket- oder MES-Systemen, gespeichert werden. In diesen Systemen finden sich sogenannte Event-Logs, also Prozess- oder Ablaufprotokolle, die Informationen zu einem oder mehreren Prozessen enthalten. Neben der Reihenfolge der einzelnen Schritte enthalten sie wichtige Attribute wie die Durchlauf- und Wartezeiten sowie Kosten. Mit den Techniken des Process Mining kann das Prozesswissen aus diesen Daten extrahiert, zusammenfügt und visualisiert werden. Damit ist Process Mining ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer digitalen Operational Excellence, also der digital unterstützten kontinuierlichen Prozessoptimierung entlang der Wertschöpfungskette. Ziele können geringere Durchlaufzeiten und Prozesskosten oder eine höhere Prozessstabilität sowie die Einhaltung von Compliance-Auflagen sein.

 

Fünf Schritte zur Prozessoptimierung

Diese fünf aufeinander aufbauenden Schritte auf dem Weg zu einer erfolgreichen Prozessoptimierung sind auf einer ausreichenden Datengrundlage mit Process Mining möglich:

 

1. Process Discovery

Mit der Process Discovery werden die einzelnen Schritte der real ablaufenden Prozesse und ihre logischen Verknüpfungen graphisch dargestellt. Dadurch lassen sich erste Zusammenhänge des Prozessablaufs visualisieren sowie Abweichungen oder ineffiziente Schritte, wie zum Beispiel Prozessschleifen, erkennen. Sogar das Darstellen sozialer oder organisatorischer Netzwerke ist möglich.

 

2. Conformance Checking

Beim Conformance Checking wird ein vorgegebener Prozessablauf (Soll-Modell) mit den Event-Logs der tatsächlich ausgeführten Prozesse (Ist-Prozess) hinsichtlich ihrer Übereinstimmungen und Unterschiede verglichen. Die Prüfung der Einhaltung bezieht sich zum Beispiel auf übersprungene, hinzugefügte oder unnötig wiederholte Prozessschritte. Auch unternehmensinterne oder rechtliche Rahmenbedingungen können dem Soll-Modell hinzugefügt werden und sichern damit die Compliance des Prozesses ab.

 

3. Model Enhancement

Die Ergebnisse aus den Schritten Process Discovery und Conformance Checking bilden die Grundlage für die Optimierung des Prozessmodells. Mit den identifizierten nicht vorgesehenen Prozessabläufen, Engpässen und einzuhaltenden Rahmenbedingungen wird das Soll-Modell angepasst. Der Erfolg dieser Anpassung lässt sich in der Praxis ablesen oder vorab in der Prozess-Simulation berechnen.

 

4. Process Simulation

Die Auswirkungen der Prozessanpassungen aus dem Model Enhancement-Schritt lassen sich mittels Simulationen kostengünstig und sicher testen. Das ist besonders dann sinnvoll, wenn die Prozesse komplex und dynamisch sind. Neben den regulären Event-Logs sind simulationsrelevante Parameter wie Zeiten, Ressourcen und Kosten erforderlich. Prozessänderung lassen sich somit evaluieren, ohne den laufenden Geschäftsbetrieb zu beeinträchtigen. Auch lassen sich verschiedene Optimierungsvarianten simulieren, um die Änderung mit dem höchsten Nutzen zu identifizieren.

 

5. Robotic Process Automation (RPA)

Robotic Process Automation beschreibt die Übernahme und Ausführung repetitiver und meist regelbasierte Prozessschritte durch Software-Roboter. Beispielsweise Interaktionen mit einer grafischen Benutzer-Oberfläche, wie das Eintragen bestimmter Werte in Textfelder, können automatisiert werden. Die Abfolgen der zu automatisierenden Schritte werden in einem Flussdiagramm definiert. Diese können auch durch die Aufnahme des Benutzer-Bildschirms und damit ohne Programmier-Kenntnisse erstellt werden.

 

Künstliche Intelligenz trifft auf Process Mining

Künstliche Intelligenz konnte in den vergangenen Jahren unzählige Einsatzgebiete bereichern und hat auch vor dem Process Mining keinen Halt gemacht. Folgende Anwendungen sind schon jetzt möglich:

 

1. Prozessergebnisse vorhersagen

Bei der Case Level Prediction werden Betriebsergebnisse, wie die Fertigstellungszeit, in Echtzeit während des gesamten Prozesses vorhergesagt. Hierbei können Regressionsverfahren auf Basis historischer Daten verwendet werden. Die erwartete Fertigstellungszeit im Voraus zu kennen erlaubt es, unerwünschten Situationen rechtzeitig entgegenzuwirken und Verluste zu vermeiden.

 

2. Klassifikation von Prozessen & Anomalien detektieren

Klassifikationsalgorithmen aus dem Bereich des Maschinellen Lernens erlauben es, gute von schlechten Prozessen, beispielsweise Prozesse mit verspäteter Fertigstellungszeit, zu unterscheiden. Mit den gelernten Modellen lassen sich unter anderem negative Abweichungen in Echtzeit erkennen.

 

3. Ursachenanalyse & Action Recommendation Engines

Auf Basis interpretierbarer Klassifikations-Algorithmen lassen sich die wichtigsten Einflussfaktoren auf bestimmte Betriebsergebnisse ermitteln. So ist es zum Beispiel im Falle einer verspäteten Fertigstellungszeit für Prozessbeteiligte wichtig zu wissen, welche Faktoren maßgeblich für die Verspätung verantwortlich sind. Die daraus gewonnen Erkenntnisse bilden die Grundlage für präventive Maßnahmen sowie die Identifizierung von Optimierungspotentialen. Mit Hilfe von Action Recommendation Engines werden aus diesen Erkenntnissen konkrete Handlungen. So lassen sich im Falle von Prozessabweichungen, wie Verspätung einer bestimmten Aktivität, verschiedene Maßnahmen ableiten, die den größten Einfluss auf das rechtzeitige Fertigstellen besitzen. Die Engine empfiehlt Prozessbeteiligten die entsprechende Handlungsoption.

 

4. Intelligent Process Automation

Die Intelligente Prozessautomatisierung (IPA) bezeichnet den Einsatz Künstlicher Intelligenz einschließlich Computer Vision, Natural Language Processing (NLP) und Maschinellem Lernen innerhalb der Robotic Process Automation. Technologien wie Screen Scraping, OCR (Optical Character Recognition) und grundlegende Mustererkennungsalgorithmen erlauben die Datenextraktion aus nahezu jedem Format. Mit einem von uns entwickelten OCR-System beispielsweise ermöglichen wir ein automatisches Auslesen der Daten aus Fahrzeugscheinen und reduziere Aufwand und Übertragungsfehler deutlich. Denkbare weitere Anwendungsfälle wären zum Beispiel Ausweisdokumente, Lieferscheine, Frachtbriefe und Rechnungen. Intelligente Text-Analyse-Tools können Versicherungen dabei helfen, E-Mails im Rahmen der Schadensbearbeitung vorab zu klassifizieren, die relevanten Daten zu extrahieren und dem richtigen Sachbearbeiter zuzuordnen. Auch Entscheidungen und Aufgaben, basierend auf prädiktiven Modellen wie Sales-Forecasting oder Predictive Maintenance, können automatisiert werden. Somit ermöglicht KI den Software-Bots den Übergang von der reinen Automatisierung einfacher Aufgaben, hin zu vollständig autonomen und kognitive Assistenten, die in der Lage sind, immer mehr Arten von Aufgaben in Echtzeit zu erledigen.

 

5. Automatisiertes Feature Engineering

Nicht alle verfügbaren Rohdaten sind mit verwertbaren Informationen für Machine Learning-Algorithmen gleichzusetzen. Feature Engineering wandelt Rohdaten in Datensätze um, mit denen Algorithmen arbeiten können. Mit den entstehenden sogenannten Features lassen sich dann die Vorhersagekraft und die Genauigkeit von Machine-Learning-Algorithmen steigern. Um verwertbare Datensätze aus im Unternehmen vorhandenen, oft unstrukturierten Daten zu erstellen, muss Prozess-, Fach- und statisches Methodenwissen kombiniert werden.

 

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Ansprechpartner

Sebastian Dahnert ETECTURE
Sebastian
Dahnert
Junior Data Scientist 
info@etecture.de