Warum die digitale Transformation so häufig scheitert

Digitale Transformation

Die digitale Transformation ist in aller Munde, euphorisch von Beratern und Agenturen in einzelnen Abteilungen und Vorhaben eingebracht. Doch in vielen Fällen glingt sie nicht, da Mentalitäten und Kulturen in den Organisationen außen vorgelassen werden. Dafür stellen HR und das Verlassen des eigenen Silos wichtige Ansatzpunkte dar, denn Change will operationalisiert werden.

 

Stimmen Sie mir zu? Die aktuelle Debatte um die so genannte digitale Transformation ist inzwischen ähnlich packend wie eine Partie Schach in Zeitlupe mitzuverfolgen. Rund 3,2 Millionen Treffer spuckt Google für diesen viel diskutierten Veränderungsprozess aus. Doch was wissen wir wirklich? Aus meiner Sicht das: In der Praxis ist digitale Transformation in vielen Fällen ein ebenso hoch ambitioniertes wie zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. So als würde man in Flip-Flops den Himalaya besteigen. Punktuell setzen Berater, Agenturen an einzelnen Abteilungen und Vorhaben an, in der Hoffnung, die Euphorie eines so grundsätzlichen Wandels würde sich schon von allein im gesamten Konzern verbreiten.

 

Tut sie aber nicht. Das hängt viel mit den Mentalitäten und Kulturen in den Organisationen zusammen, die sich eben nicht so schnell aufbrechen lassen wie manche Berater es gerne hätten. Wer etwa die IT als Speerspitze der digitalen Transformation ausgeguckt hat, wird schnell merken, dass hier Menschen arbeiten, die Jahre bzw. Jahrzehnte damit verbracht haben, ein Maximum an Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Die klassischen IT-Abteilungen haben sich als Risikovermeider etabliert und setzen oft Innovation und Fortschritt mit Effizienz, Beständigkeit und Performance gleich. Wer ganz zeitgeistig Heerscharen von agilen Coaches engagiert, muss häufig die Erfahrung machen, dass agile Prozesse bei nicht agilen Vorhaben nicht den gewünschten Erfolg bringen. So wurden oft schon goldene Wasserhähne entwickelt, auf den Wasseranschluss musste dann aber aus Budgetmangel verzichtet werden. Ebenso wenig wie ein Chief Digital Officer als Stabstelle ohne echte Zugriffsrechte in die Organisation. Oder neue Marketing-Verantwortliche, die sich mit Feuereifer auf angesagte Themen wie Customer Centricity, Customer Experience und Omnichannel stürzten, dabei jedoch ein Tempo vorlegten, dem kaum einer in der Organisation gewachsen ist.

Stefan Dangel ETECTURE

HR als agiler Coach

Der Change kann nur gelingen wenn er operationalisiert wird. Dafür müssen wir woanders ansetzen: bei der HR nämlich – also genau dort, wo die Auswahl der geeigneten Mitarbeiter stattfindet, wo gezielt Maßnahmen für ein individuelles Coaching initiiert und wo wesentliche Impulse für die interne Kommunikation gesetzt werden. Eine moderne HR versteht sich als agiler Coach für das gesamte Unternehmen und hat zielführende Mechanismen entwickelt, wie verschiedene Bereiche im Unternehmen vereint werden können und Kollegen fachübergreifend in operativer Zusammenarbeit digitale Projektvorhaben realisieren.

 

So oder so: Wenn wir schon von unseren Kunden verlangen, sich kräftig zu schütteln und die viel zitierten Silos zu verlassen, sollten wir zuallererst selbst bei uns damit anfangen. Viel zu häufig sitzen wir in den selbigen nämlich noch drin. Die Frage, ob IT-Beratungen oder Kreativagenturen die digitale Transformation besser können, ist wenig hilfreich. Beide Dienstleistertypen – IT-Beratungen und Kreativagenturen – sind weit vor der digitalen Transformation entstanden. Sie haben sich zweifellos weiterentwickelt, haben Kompetenzen dazu gekauft oder haben sich zusammengeschlossen. Doch im Kern haben sie einen spezifischen Fokus und damit auch Ansatzpunkt im Unternehmen – entweder die IT, das Marketing oder der CEO. Doch das reicht eben nicht aus, um eine grundsätzliche Transformation in Unternehmen herbei zu führen.

Stefan Dangel ETECTURE

Erster Schritt zur digitalen Transformation

Ein erster Schritt wäre, die Job-Profile bei Agenturen/ Beratungsfirmen komplett in Frage zu stellen. Ein Consultant etwa ohne profunde IT-Kenntnisse wird in Unternehmen kaum etwas bewirken können, ebenso wenig wie ein IT-Experte, der nicht die Sprache des Marketings spricht. Wichtig ist vor allem, dass wir das traditionelle Schubladendenken – Kreativagenturen, IT-Beratungen, Consultants – endlich überwinden. Die Debatte, welches Anforderungsprofil ein Dienstleister wirklich haben muss, um die digitale Transformation bei seinen Kunden erfolgreich zu realisieren, ist überfällig. Der Change kann nur funktionieren, wenn man ihn operationalisiert.

 

Dieser Beitrag ist ebenfalls in der HORIZONT am 16. Juli 2019 erschienen.

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